Exzellenzcluster SyNergy: Hirnerkrankungen bekämpfen
22.05.2025
Bei SyNergy forschen LMU und TUM gemeinsam an neurologischen Erkrankungen. Jetzt geht der Cluster in die nächste Runde – mit großen Visionen für die Zukunft.
22.05.2025
Bei SyNergy forschen LMU und TUM gemeinsam an neurologischen Erkrankungen. Jetzt geht der Cluster in die nächste Runde – mit großen Visionen für die Zukunft.
„Der Cluster läuft extrem rund und ist hervorragend eingespielt“, sagt Professor Martin Dichgans, Direktor des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am LMU Klinikum. In der Forschung gibt es große Erfolge. Dichgans ist künftiger Sprecher von SyNergy (Munich Cluster for Systems Neurology). Ebenfalls neu als Sprecherin dazu kommt Professorin Magdalena Götz, Lehrstuhlleitung für Physiologische Genomik am Biomedizinischen Centrum der LMU und Leiterin des Instituts für Stammzellforschung bei Helmholtz Munich. Beide sind SyNergy-Mitglieder der ersten Stunde und können es offensichtlich kaum erwarten, gemeinsam mit dem dritten Sprecher, Professor Thomas Misgeld vom Institut für Zellbiologie des Nervensystems der Technischen Universität München (TUM) und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) die weitere fachübergreifende Zusammenarbeit anzugehen.
Denn die wissenschaftlichen Durchbrüche, die sie sich vorgenommen haben, sind nur gemeinsam zu erreichen. Magdalena Götz beispielsweise hat vor mehr als zwanzig Jahren eine Methode erfunden, mit der man Gliazellen, die Stützzellen des Gehirns, so umprogrammieren kann, dass daraus neue Nervenzellen werden. „Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Exzellenzcluster wollen wir diesen Ansatz bis in die klinisch-therapeutische Anwendung bringen.“ Mit anderen Worten: Nervengewebe reparieren, das beispielsweise durch einen Schlaganfall oder eine Demenzerkrankung zerstört wurde.
Ohne den Verbund, das weiß Götz, wäre das nicht möglich. Denn solche wegweisenden Errungenschaften lassen sich nur verwirklichen, wenn viele exzellente Köpfe aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammenkommen. „SyNergy verschafft der neurologischen Forschung einen riesigen Boost“, erklärt die Entwicklungsbiologin. Denn dank des Clusters könne man als Neurowissenschaftlerin mit Forschenden und Klinikerinnen zusammenarbeiten, die sich auch konkret mit Gehirnverletzungen, Schlaganfall und Alzheimer-Erkrankung auskennen.
Das ist die Grundidee von SyNergy: Forschende aus verschiedenen Bereichen rund um das Thema Gehirnerkrankungen zusammenbringen, Schnittstellen und Synergien finden und so völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Auch Martin Dichgans hat in der Vergangenheit enorm von diesem Konzept profitiert. „Erkrankungen der kleinen Blutgefäße im Gehirn verursachen Schlaganfall, aber auch Demenz, häufig in Kombination mit der Alzheimer-Erkrankung.“ Dichgans sucht mit seiner Arbeitsgruppe nach Genen, die Gefäßerkrankungen und Schlaganfälle begünstigen, und deckt nach deren Identifikation in experimentellen Studien die Mechanismen dahinter auf. „Daraus abgeleitet bringen wir Therapieansätze zurück in die Klinik.“ So habe er zum Beispiel Veränderungen in einem Gen entdeckt, das eine Rolle in Endothelzellen spielt, also den Zellen, die die Blutgefäße auskleiden. „Wir haben die molekularen Signalwege und neue Möglichkeiten der pharmakologischen Intervention identifiziert.“
SyNergy verschafft der neurologischen Forschung einen riesigen Boost.Magdalena Götz
Ein Cluster-Kollege hat daraus innovative dreidimensionale Modelle der Blut-Hirn-Schranke mit humanen induzierten pluripotenten Stammzellen entwickelt, in denen er die Ergebnisse, die Dichgans und sein Team in der Maus erarbeitet haben, rekapituliert und noch weiter vorangetrieben hat. „Er hat auch unseren therapeutischen Ansatz überprüft, sodass wir inzwischen glauben, dass wir auf der Basis dieser Ergebnisse in Richtung einer klinischen Studie gehen können.“
Im Verbund habe man, so Götz und Dichgans, die einmalige Möglichkeit, mit Expertinnen und Experten mit ganz anderen Arbeitsschwerpunkten zusammenzuarbeiten, die völlig neue Impulse und wissenschaftliche Konzepte an der Schnittstelle zwischen den verschiedenen Erkrankungen mitbrächten. Um diese Form von Innovation und Austausch zu befördern, setzen die SyNergy-Mitglieder auf Tandems – von Beginn an ein zentrales Element des Clusters. Die Idee: Zwei Forschende aus unterschiedlichen Gebieten zusammenbringen, die ihre Komfortzone verlassen und gemeinsam etwas Neues angehen. Auf diese Weise sind bei SyNergy über die letzten Jahre viele neue Impulse und Forschungsansätze entstanden.
Ein Tandem will beispielsweise herausfinden, wie geschädigte Nervenzellen ihre Funktion verlieren, neu gebildete Nervenzellen funktionsfähig werden und wie neuronale Netzwerke arbeiten. Die beteiligte Arbeitsgruppe der LMU betreibt dazu neurobiologische Forschung; ein TUM-Team aus der rechnergestützten und theoretischen Neurowissenschaft erstellt dann Computermodelle der entsprechenden Netzwerke mithilfe Künstlicher Intelligenz.
Bei einem anderen Projekt arbeiten Forschende am ISD /LMU Klinikum und der Stammzellbiologie an der TUM gemeinsam an einem Ansatz, bei dem menschliche Neuro-Organoide, also im Labor gezüchtete „Mini-Gehirne“, transplantiert werden. So können Empfängergehirne, die durch einen Schlaganfall geschädigt wurden, wieder funktionstüchtig gemacht werden. Im Mausmodell zeigen sich bereits erste Erfolge: Die Transplantate wachsen ins Gehirn ein, knüpfen dort Verbindungen und es gibt Anzeichen dafür, dass die Mäuse dadurch funktionelle Verbesserungen nach einem Schlaganfall aufweisen. Als Nächstes will das LMU-TUM-Tandem herausfinden, warum das so ist.
Auch die Technology Hubs sind ein SyNergy-Modell, das sich bewährt hat: Wo immer sich neue Forschungsfelder auftun, sorgen sie dafür, dass die dafür nötigen technologischen Ansätze etabliert werden. „Bei SyNergy nutzen wir diese Technologie nicht nur, sondern entwickeln sie auch fortlaufend weiter“, freut sich Martin Dichgans. In der neuen Förderphase will man in neue Bildgebungsverfahren investieren, hochinnovative Mikroskopie, die mit molekularen Verfahren wie der Einzelzellsequenzierung kombiniert werden kann.
Ausgebaut werden soll auch der Bereich sogenannter Genfähren: Mithilfe dieser viralen Vektoren können Forschende bestimmte regulatorische Proteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren, in Zellen einbringen. „Die Welt der Viren ist sehr trickreich, wir kennen inzwischen viele, deren spezifische Eigenschaften man nutzen kann“, erklärt Magdalena Götz. Dieser virale Werkzeugkasten sei extrem vielfältig und sehr zielgenau einsetzbar.
Ein weiterer Fokus soll in Zukunft auf den Umgang mit den Daten gelegt werden, die bei der Forschung im Cluster anfallen. Zum Beispiel bei hochmodernen „Omics“-Ansätzen: Inzwischen erfasst man damit nicht nur das gesamte Genom, sondern auch die Translation und Proteomik der Gene – und das auf Einzelzellniveau. Die Clustermitglieder haben es also mit komplexen Daten von Tausenden oder Zehntausenden von Zellen zu tun. Um einen verantwortungsvollen, effizienten und sinnvollen Umgang mit diesen enormen Datenmengen sicherzustellen, hat sich SyNergy für seine dritte Runde breiter aufgestellt. „Wir haben in München einen weltweit führenden Experten für KI und Modellierung von Genexpressionsnetzwerken und Einzelzellsegmentierungsanalyse, Professor Fabian Theis von Helmholtz Munich“, sagt Götz.
Ein großer Meilenstein, den SyNergy sich vorgenommen hat, ist, die spannenden Erkenntnisse der bisherigen Forschung in die Therapie zu bringen. Bereits in der zweiten Förderphase wurden konkrete klinische Studien auf den Weg gebracht, an diese Erfolge will man nun anknüpfen. Der Weg von der Grundlagenforschung zur Entwicklung von Medikamenten ist jedoch kein Sprint, sondern kann auch gerne mal 15 Jahre brauchen. „Ein weiterer Grund dafür, dass wir in die nächste Generation von Forschenden investieren: Wir müssen in Bewegung bleiben, uns entwickeln, jüngere, aufstrebende Forschende in unsere Community aufnehmen und ihre Karriere fördern“, betont Martin Dichgans. „Die Synergy-Familie profitiert dabei enorm von Diversität und Exzellenz.“
Wir müssen in Bewegung bleiben, uns entwickeln, jüngere, aufstrebende Forschende in unsere Community aufnehmen und ihre Karriere fördern.Martin Dichgans
Über die Graduate School of Systemic Neurosciences zieht der Cluster wie ein Magnet exzellente Studierende aus aller Welt an. „Wir brauchen diesen Nachwuchs und müssen ihn halten, um die langfristigen Projekte fortzuführen, die wir uns vorgenommen haben“, so Dichgans. Durch die exzellente Forschungsarbeit der vergangenen Jahre hat sich SyNergy in der internationalen Wissenschaftslandschaft längst etabliert. Das hat äußerst positive Auswirkungen auf die Forschenden im Team: „Doktoranden und Postdocs wollen bleiben, sich im Cluster weiterentwickeln und Gruppenleiter bei SyNergy werden.“
Worauf sich die neue Cluster-Sprecherin und der neue Cluster-Sprecher in den nächsten Jahren SyNergy am meisten freuen? „Auf die Zusammenarbeit! Neue Kooperationen, neue Erkenntnisse, aus denen neue Ideen erwachsen.“